Ökologische lokale Produktion von Baustoffen

„Anmerkung des Herausgebers:
Endlich stelle ich diesen spektakulären Text online, nachdem eigentlich im Sommer 2023 alles besprochen war. Jannik – wie ich selber auch ein Bauingenieur – konnte damit eine Brücke schlagen zum uralten Römischen Beton und sogar die noch viel älteren Südamerikanischen Polygonbauten theoretisch und prakisch erklären. Ein Video  zu seinem Nachbau dieser Systeme ist unten angeführt. Eine kurze Bemerkung zum Parameter CO
2: Obwohl dieses Spurengas mit lediglich 0,04 % in der Atmosphäre sehr oft vermutlich aus ökonomischen/politischen Gründen weit überinterpretiert wird, ist dieses knappe Gas des Lebens auf der Erde ein hervorragender Effizienzindikator. Das ist meine persönliche und wissenschaftlich belegbare Meinung, hiermit geht es weiter zum Beitrag!
Mit Janniks experimentellen Endeckungen kann jetzt lokal auch an der Weiterentwicklung gearbeitet werden, auch Jannik ist weiter an dem Thema. Ich bin gespannt auf weitere Ergebnisse!

Ralf Otterpohl, im Dez. 2023″

Gewinnung von reaktiven Alumosilicatgläsern für Alumosilicatbinder mittels Alkalifusion und Reduktion der Glasschmelze

Gastbeitrag von Jannik dem Bauingenieur

Vorbemerkung

Als nachhaltiger Zem ent ersatz werden derzeit die sog. Geopolymere diskutiert, die je nach Zusammensetzung hervorragende technische Eigenschaften wie z.B. hohe Material- und Frühfestigkeiten sowie hohe Säure- und Temperaturbeständigkeit aufweisen [1, 2]. Bei den Geopolymeren handelt es sich in der Regel um alkali-aktivierte Alumosilicatbinder, d. h. um Zwei-Komponenten-Binder aus alkalischen Komponenten und reaktiven alumosilicatischen Rohstoffen (s Abb. 1) [1, 3].

Abbildung 1: Prozess von der Alkali-Aktivierung bis hin zum erhärteten Alumosilicatbinder

Durch den sparsamen Einsatz von alkalischen Aktivatorkomponenten und Verwendung von (alumo-)silicatischen Sekundärrohstoffen wie Flugasche und Silicastaub kann die CO2-Emission von Alumosilicatbindern im Vergleich zu Port land zem ent um 25–70 % reduziert werden [4, 5]. Allerdings ist die Verfügbarkeit solcher Binderkomponenten stark eingeschränkt [1, 6]. Neuere Untersuchungen zielen daher darauf ab, weitere natürliche Mineralquellen mit hoher Verfügbarkeit für Alumosilicatbinder nutzbar zu machen.

Zu diesem Zweck wurde ein Temper-Pyrolyseofen gebaut, mit dessen Hilfe verschiedene (alumo-)silicatische Binderkomponenten aus natürlichen Mineralien in einem CO2-negativen Herstellungsprozess gewonnen werden können (s. Abb. 2) [7].

Abbildung 2: CO2-negativer Herstellungsprozess von (alumo-)silicatischen Binderkomponenten im Temper-Pyrolyseofen mit schadstoffarmer Holzkohle als Nebenprodukt und CO2-Senke

Als Brennstoff für die thermische Behandlung der Mineralgemenge dient Holzgas, welches durch einen Pyrolyseprozess aus holzigen Materialien freigesetzt wird. Als Nebenprodukt entsteht Holzkohle bzw. Pflanzenkohle, die eine Kohlenstoffsenke darstellt, da 1 t Kohlenstoff ein CO2-Äquivalent von 3,667 t CO2 besitzt, das zuvor durch Photosynthese aus der Atmosphäre entzogen wurde [7].

So wurden reaktive (alumo-)silicatische Binderkomponenten wie

  • Metatone (Puzzolane) aus natürlichen Tonmineralien (Kaolin, Smectit, Illit) bei 800–840 °C durch Flashcalcinierung,
  • Natrium- und Kaliumsilicate (Wassergläser) aus Quarzsand mit Natrium- bzw. Kaliumhydroxid durch Alkalifusion bei unter 700 °C,
  • und reaktive Alumosilicatgläser aus quarz- und tonerdehaltigen Mineralien mit Kaliumhydroxid ebenfalls durch Alkalifusion bei unter 700 °C im oben beschriebenen Pyrolyseverfahren gewonnen.

Diese reaktiven (Alumo-)Silikate wurden gemahlen und anschließend als Binderkomponenten für Mörtelprismen mit z. T. guten Materialfestigkeiten nach 9 Tagen eingesetzt.

Die höchsten Materialfestigkeiten wurden mit einem Ein-Komponenten-Binder aus reaktivem Alumosilicatglas mit Druckfestigkeiten von 27,7 N/mm² und Biegezugfestigkeiten von 6,17 N/mm² erreicht.

Die Silicat- und Aluminatlöslichkeit der gemahlenen Alumosilicatgläser wurde mittels ICP-OES am Eluat gemessen. Sie zeigten eine hohe Konzentration an gelösten Silicaten und eine niedrige Konzentration an gelösten Aluminaten. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass die Festigkeitsbildung der Alumosilicatgläser in erster Linie auf eine Wasserglasbindung zurückzuführen ist, da im Eluat zu geringe Aluminat-konzentrationen für eine spontane Polykondensation nachgewiesen werden konnten.

Eine vielversprechende Variante, die Aluminatlöslichkeit von Alumosilicatgläsern zu erhöhen, ist die Modifikation des beschriebenen Herstellungsverfahrens in Anlehnung an das sog. Kalk-Soda-Sinterverfahren. Hierbei handelt es sich um ein veraltetes Verfahren zur Gewinnung von wasserlöslichen Alkali-Aluminaten für die Aluminium-produktion durch eine Alkalifusion von tonerdereichen Mineralien unter Zusatz von Alkalicarbonaten und Kalk und anschließender Elution der erhaltenen Alumo-silicatgläser. Traditionell wurde das Gemenge bei 800-1200 °C mit Kohle im Reduktionsbrand gesintert, wodurch die Ausbeute an löslichen Aluminaten im erzeugten Alumosilicatglas deutlich erhöht wurde [8-11].

Weiterhin ist bekannt, dass bei der Reduktion einer Alumosilicatschmelze das enthaltene Hämatit (Fe2O3) zu Magnetit (FeO · Fe2O3) reduziert wird [8, 12]. Unter der Voraussetzung, dass in der Alumosilicatschmelze zu wenig Alkali- und Erdalkaliionen (Netzwerkwandler) für einen vollständigen Ladungsausgleich der Schmelze gelöst sind, übernehmen gelöste Eisenionen (Fe2+) die Funktion eines Netzwerkwandlers. In der Folge werden Viskosität und Schmelztemperatur der Alumosilicatschmelze deutlich herabgesetzt bzw. der Alkali- und Erdalkalibedarf verringert [12-14]. Unter stark reduzierenden Bedingungen treten diese Effekte deutlich in Erscheinung [12]. Auch für Tonerde (Al2O3) wird unter genannten Bedingungen ein ähnliches Verhalten in Alumosilicatschmelzen berichtet [13,15].

Beschreibung des Verfahrens

Aus den geschilderten Erkenntnissen wurde ein Verfahren zur Herstellung von reaktiven Alumosilicatgläsern für 1-K-Alumosilicatbinder entwickelt (s. Abb. 3), das sich von den bisherigen Verfahren dadurch unterscheidet, dass ein Gemenge aus alumosilicatischen Mineralien, Kohle, Alkaliquellen, ggf. Erdalkalizusatz und ggf. Eisenoxid durch Alkalifusion und Reduktion bei Temperaturen zwischen 900 und 1350 °C in einem Schachtofen eingeschmolzen wird.

Abbildung 3: Herstellungsprozess von reaktiven Alumosilicatgläsern für 1-K-Alumosilicatbinder mittels Alkalifusion und Reduktion der Glasschmelze

Die so erzeugte, niedrigviskose Alumosilicatschmelze fließt anschließend über einen Abstich aus dem Ofen heraus und wird durch eine Sturzkühlung unterhalb der Transformationstemperatur in ein metastabiles Alumosilicatglas mit sehr hohem Glasgehalt überführt. Der Herstellungsprozess endet mit der Mahlaktivierung, ggf. unter Zusatz von alkalisch wirkenden und/oder puzzolanischen Zumahlstoffen.

Ausblick

Die ersten reaktiven Alumosilicatgläsern, die im Labormaßstab durch Alkalifusion und Reduktion der Glasschmelze erzeugt wurden, zeigen ein gutes Schmelzverhalten. Allerdings wurden bisher nur kleinste Mengen erzeugt und beim Abkühlen der flüssigen Schmelze in Wasser traten bereits erste Lösungserscheinungen auf. Dadurch kam es bei der anschließenden Trocknung bereits zur Bildung unlöslicher Mineralphasen, wodurch das Material wieder deutlich an Reaktivität verlor. Um das Verfahren weiter zu verbessern, soll nun eine Pilotanlage entwickelt und gebaut werden. Diese soll die Herstellung größerer Mengen sowie eine Trockengranulation der Glasschmelze ermöglichen. Schließlich soll mit Hilfe der Pilotanlage eine Parameterstudie durchgeführt werden, um den Einfluss der Gemenge-zusammensetzung auf die Bindereigenschaften solcher Alumosilicatbinder zu untersuchen.

Literaturverzeichnis

[1] J. DAVIDOVITS, Geopolymer chemistry and applications. 4th edition, Saint-Quentin, France, S. 30-34, 79-196, 87, 332, 357-373, 393-400, 417-420, 2015.
[2] J. W. PHAIR, „ Green chemistry for sustainable cement production and use.,“ In: Green Che-mistry 8, Nr. 9 , S. 763, 2006.
[3] A. BUCHWALD, Der Einfluss des Kalziums auf die Kondensation von (Alumo-)Silikaten in alkali-aktivierten Bindern. Habilitation, S. 10-30, 2012.
[4] T. STENGEL, D. Heinz und J. REGER, „Life cycle assessment of geopolymer concrete – what is the environmental benefit:,“ in Proceeding of the 24th Biennial Conference of the Concrete In-stitute of Australia,, 2009.
[5] M. WEIL, K. DOMBROWSKI und A. BUCHWALD, „Environmental Evaluation of Geopolymeric Binders by Life Cycle Assessment,“ Woodhead Publishing, Nr. Cambridge, 2009.
[6] C. P. T. &. G. C. A. Herget, „Concretes made of multicomposite ce ments with limestone powder and calcined clay,“ BETON-UND STAHLBETONBAU, Bd. 116(4), S. 286-295, 2021.
[7] P. Dengler, J. Knapp, L. Hanika, S. Vogt, M. Latifi, H. Weigand, R. Kern: „Ein Beitrag zur Herstellung nachhaltiger Betone – Ko-Produktion von Alumosilicatbindern und Holzkohle sowie Errichtung von Polygonalmauerwerk aus alumosilicatgebundenem Beton“ , 17. Gießener Bauforum 2023, 22. Sept. 2023, Gießen, S. 41-50, ISBN 978-3-8440-9232-5.
[8] KAUßEN, F. M.; FRIEDRICH, B.: Methods for Alkaline Recovery of Aluminum from Bauxite Residue. In: Journal of Sustainable Metallurgy 2 (2016), Nr. 4, S. 353–364
[9] KAUßEN, F. M.; FRIEDRICH, B.: Phase characterization and thermochemical simulation of (landfilled) bauxite residue (“red mud”) in different alkaline processes optimized for aluminum recovery. In: Hydrometallurgy 176 (2018), S. 49–61.
[10] RAGHAVAN, P .K. N.; KSHATRIYA, N. K.; WAWRYNINK, K.: Recovery of Metal Values from Red Mud. In: LINDSAY, S. J. (Hrsg.): Light Metals 2011. Cham : Springer International Publishing, 2016
[11] C. RÖHR: Chemie der Metalle : 4.2. Elementare Metalle. URL http://ruby.chemie.uni-freiburg.de/Vorlesung/metalle_4_2.html – Überprüfungsdatum 2018-12-03.
[12] ZAWADA A.: Der strukturelle Einbau von Eisenionen in Alkali- Erdalkalisilikat- und Alumosilikatgläsern sowie die Charakterisierung der Eigenschaften der Gläser: Technische Universität Bergakademie Freiberg. Dissertation (2002-11-15)
[13] KATZSCHMANN, A.: Der Einfluß von P2O5 auf die Struktur und Eigenschaften von Gläsern und Glaskeramiken des Systems MgO-Al2O3-SiO2 : Friedrich-Schiller-Universität Jena. Dissertation 1996.
[14] GÜTLICH P.; LINK R.; TRAUTWEIN A.: Mössbauer Spectroscopy and Transition Metal Chemistry. Inorganic Chemistry, Concepts, 3, Springer, Berlin Heilderberg (1978), S. 280.
[15] WANGE, P.: Untersuchungen von Kristallisationsprozessen in mikroheterogenen Silikat- und homogenen Phosphatgläsern als Basis für die Entwicklung von mechanisch hochfesten und bioaktiven Glaskeramiken : Friedrich-Schiller-Universität Jena. Dissertation 1984.

Dazu ein Video:

Errichtung eines maßstäblichen Poygonamlauerwerks aus einem 2-K-Geopolymer-Beton

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